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Lesung zum Gedenktag der Bücherverbrennung

Mit einer öffentlichen Lesung auf dem Neubrandenburger Marktplatz aus Büchern verfolgter Autor*innen gedenken am 9. Mai um 11.00 Uhr Akteur*innen initiiert durch den Förderverein der Regionalbibliothek der Bücherverbrennung durch die Nationalsozialisten. Sebastian Gießelmann vom Verein queerNB wird aus einem Werk von Magnus Hirschfeld lesen.

Die Organisator*innen bitten darum verantwortungsbewusst und achtsam mit der vorherrschenden Corona-Situation umzugehen – den nötigen Abstand einzuhalten und der Empfehlung des Tragens eines Mund-Nasenschutzes zu folgen.

Zum Hintergrund

Magnus Hirschfeld gründete 1919 in Berlin das weltweit erste „Institut für Sexualwissenschaft“. Das Institut beschäftigte über vierzig Mitarbeiter. Dazu gehörte auch eine Bibliothek mit etwa 20.000 Büchern, 35.000 Photographien und 40.000 Erfahrungsberichten bzw. biographischen Briefen. Hirschfeld warb für einen liberalen Umgang mit Nicht-Heterosexuellen: mit Wissenschaft zur Gerechtigkeit, das war sein Motto.

Tao Li und Magnus Hirschfeld auf der vierten Konferenz der Weltliga für sexuelle Reformen in Brno, 1932. / CC BY

Doch mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten im Januar 1933 begannen für Lesben, Schwule, Transgender und Intersexuelle schwere Zeiten. Bereits im Mai 1933 fand die systematische Verfolgung unliebsamer Schriftsteller*innen einen ersten traurigen Höhepunkt. Am 6. Mai 1933 wurde Magnus Hirschfeld – jüdisch und schwul – eines der ersten Opfer dieser Aktionen. Um 9.30 Uhr stürmten etwa 100 Studenten das Institut. Ein Augenzeuge berichtete:

„Sie nahmen vor dem Hause militärische Aufstellung und drangen unter Musik in das Haus ein. (…) Die Studenten begehrten Einlass in sämtliche Räume; soweit diese verschlossen waren (…) schlugen sie die Türen ein. Nachdem ihnen die unteren Räume nicht viel boten, begaben sie sich in das erste Stockwerk, wo sie in den Empfangsräumen des Instituts die Tintenfässer über Schriftstücke und Teppiche ausleerten und sich dann an Privatbücherschränke machten.

Sie nahmen mit, was ihnen nicht einwandfrei erschien (…) Aus dem Archiv entfernten sie dann die großen Wandtafeln mit den Darstellungen intersexueller Fälle (…) Die meisten der anderen Bilder (…) nahmen sie von den Wänden und spielten mit ihnen Fußball, so dass große Haufen zertrümmerter Bilder und Glasscherben zurückblieben. Auf die Einwände eines Studenten, dass es sich um medizinisches Material handele, antwortete ein anderer, darauf käme es nicht an, es wäre ihnen nicht um die Beschlagnahme von ein paar Büchern und Bildern zu tun, sondern um die Vernichtung des Instituts.“ [1]

Deutsche Studenten und SA plündern am 6. Mai 1933 die Bibliothek von Dr. Magnus Hirschfeld, Direktor des Instituts für Sexualforschung in Berlin.

Am Nachmittag des 6. Mai setzten SA-Leute die Plünderung und Zerstörung des Instituts fort. Während der Bücherverbrennung am 10. Mai 1933 auf dem Berliner Opernplatz wurden Hirschfelds Schriften schließlich ins Feuer geworfen. Auch in 21 weiteren deutschen Universitätsstädten wurden Bücher jüdischer, marxistischer, pazifistischer und anderer oppositioneller oder politisch unliebsamer Schriftsteller verbrannt.

Bücherverbrennung in Neubrandenburg

In Neubrandenburg sah sich die NSDAP-Ortsgruppe durch die Berliner Bücherverbrennung motiviert. In der Nacht vom 31. Mai zum 1. Juni 1933 loderten schließlich auf dem hiesigen Marktplatz zahlreiche Bücher. Die Autorinnen und Titel der in Neubrandenburg verbrannten Bücher sind nicht überliefert. [2]

Überliefert ist hingegen die Verfolgung von Lesben, Schwule, Transgender und Intersexuelle in den folgenden Jahren. Unter der Herrschaft der Nationalsozialisten wurden tausende Männer durch die Polizei auf sogenannten „Rosa Listen“ erfasst, von der Justiz aufgrund von §§ 175 und 175a RStGB verurteilt und in Konzentrationslagern interniert. Nach dem Krieg ging die Verfolgung in beiden deutschen Staaten weiter.

Der Fall Karl Fischer: Verfolgung hörte mit Kriegsende nicht auf

Das zeigt unter anderem der Fall des Neubrandenburger Pastors Karl Fischer. Der Katholik erhielt im Januar 1943 eine gerichtliche Vorladung wegen des Verdachts homosexueller Handlungen nach § 175 RStGB. Darauf in Lebensgefahr befindlich, tauchte Fischer bis Kriegsende in Berlin ab und kehrte erst im September 1945 nach Neubrandenburg zurück. Doch die Justiz setzte ihre Ermittlungen nach § 175 gegen Fischer fort. Im Juni 1946 wurde er aufgrund der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Berlin-Schöneberg in Neubrandenburg von der Straße weg verhaftet. Im September 1946 wurde Fischer nach der Zahlung von 10.000 Reichsmark ohne Verurteilung wieder freigelassen. Ein Ende der Ausgrenzung aufgrund seiner Homosexualität bedeutete dies jedoch nicht. Anfang der 1960er Jahre geriet der nun in Berlin lebende Fischer erneut wegen homosexueller Kontakte unter Druck und wurde schließlich zur „Unperson“ erklärt. Fischer starb am 28. März 1972 und wurde in Neustrelitz beigesetzt. [3]

Quellen

[1] http://www.buecherverbrennung33.de/hirschfeld.html; Abruf: 07.05.2020.
[2] Wolf, Eleonore (31.05.2013). Schriften gehen in Flammen auf. Nordkurier – Neubrandenburger Zeitung. Online abrufbar: https://www.nordkurier.de/neubrandenburg/schriften-gehen-in-flammen-auf-3128732005.html; Abruf: 07.05.2020.
[3] Schäfer, Bernd (2000): Priester in zwei deutschen Diktaturen. Die antifaschistische Legende des Karl Fischer (1900–1972), in Historisch-Politische Mitteilungen (HPM), Jg. 7, S. 53–78. Online abrufbar: https://www.kas.de/c/document_library/get_file?uuid=519c2b7f-444e-f382-d5fc-29e247ecf9c4&groupId=252038; Abruf: 07.05.2020

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