AllgemeinMeldung

LSVD: Wo bleibt die versprochene Reform des Antidiskriminierungsrechts?

Die Bundesregierung hat im Koalitionsvertrag eine Reform des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) angekündigt. Das zuständige Bundesjustizministerium hat jedoch bisher weder einen Gesetzentwurf noch ein Eckpunktepapier vorgelegt. Der LSVD appelliert an Bundesjustizminister Buschmann und die Bundestagsabgeordneten der demokratischen Fraktionen, die dringend notwendige Reform zeitnah umzusetzen. Dazu erklärt Alva Träbert vom Bundesvorstand des Lesben- und Schwulenverbands (LSVD):

Eine demokratische Gesellschaft muss allen Menschen Chancengleichheit und Teilhabegerechtigkeit gewährleisten – nicht nur auf dem Papier, sondern auch in der realen Lebenswelt. Ein Baustein dafür ist ein effektiver rechtlicher Schutz vor Benachteiligung. Das 2006 eingeführte Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) bietet diesen Schutz nicht. Kurze Fristen, eine schwierige Beweisführung und unverhältnismäßig teure Klageverfahren halten Betroffene regelmäßig davon ab, ihre Rechte einzufordern. Mehr als ein Drittel der gemeldeten Diskriminierungsfälle fallen nach einem Bericht der Antidiskriminierungsstelle des Bundes zudem gar nicht in den Anwendungsbereich des AGG. Der LSVD fordert daher seit vielen Jahren eine Reform des Antidiskriminierungsrechts.

Im Koalitionsvertrag hat die Ampelregierung eine Reform des AGG angekündigt. Bisher hat das zuständige Bundesjustizministerium jedoch weder einen Gesetzentwurf noch Eckpunkte für eine Reform vorgelegt. Auch die Unabhängige Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung Ferda Ataman drängt die Bundesregierung, endlich zu handeln. Wir appellieren daher an Bundesjustizminister Buschmann und an die Bundestagsabgeordneten der demokratischen Fraktionen: Setzen Sie sich für eine zeitnahe Umsetzung der versprochenen und dringend notwendigen Reform des Antidiskriminierungsrechts ein!

Für einen effektiven rechtlichen Schutz muss der Gesetzgeber das AGG ausbauen und wirksamer gestalten. Staatliches Handeln muss umfassend in den Anwendungsbereich des AGG einbezogen, Diskriminierungsgründe müssen erweitert werden. Die Ausnahmeregelungen im Arbeitsrecht für Religionsgemeinschaften und deren Einrichtungen müssen im Einklang mit europäischem Recht aufgehoben werden. Der Rechtsschutz ist in seiner derzeitigen Form ineffektiv und muss dringend verbessert werden. Notwendig sind die Verlängerung der viel zu kurzen Geltendmachungsfristen, die Einführung kollektiver Rechtsschutzformen sowie deren finanzielle Absicherung durch einen Rechtshilfefonds. Individualklagen sind ungeeignet, um gegen strukturelle Diskriminierungen vorzugehen. Mehrfachdiskriminierungen müssen zudem viel stärker in den Blick genommen werden.

Der LSVD setzt sich im Rahmen des Bündnisses „AGG Reform Jetzt!“ gemeinsam mit über hundert anderen Antidiskriminierungsorganisationen mit Nachdruck dafür ein, dass es zeitnah zu der versprochenen Reform kommt. Im Januar hat das Bündnis der Bundesregierung eine Stellungnahme mit seinen elf zentralen Forderungen übergeben.

Hintergrund

Obgleich wir in den letzten Jahrzehnten viel an Akzeptanz erkämpft und gewonnen haben, werden Lesben, Schwule, Bisexuelle, trans* und intergeschlechtliche sowie queere Menschen (LSBTIQ) dennoch viel zu oft im Alltag als Menschen zweiter Klasse behandelt, verleugnet, beleidigt, bedroht und angegriffen. Diskriminierung im Alltag ist noch längst nicht überwunden. Täglich werden Menschen in der Arbeitswelt, auf dem Mietwohnungsmarkt, in der Gesundheitsversorgung, in Bildungseinrichtungen und im Umgang mit Behörden benachteiligt, nur weil sie schwul, lesbisch, bisexuell, trans, inter* oder queer sind.

Vorurteile und LSBTI-feindliche Einstellungen finden sich nicht nur in extremen Milieus, sondern auch in der so genannten Mitte der Gesellschaft. In einer repräsentativen Umfrage der Antidiskriminierungsstelle des Bundes hielten 10 % der Befragten Homosexualität für unmoralisch, 18 % für unnatürlich. 26% wollten möglichst wenig mit dem Thema Homosexualität in Berührung kommen. 24% fänden einen schwulen Kitabetreuer unangenehm, 19 % einen schwulen Lehrer. Und ganze 40% finden es unangenehm, wenn sich zwei Männer küssen. Zum Vergleich: Küsst sich ein Heteropaar in der Öffentlichkeit, ist das nur 10% der Befragten unangenehm.

Text: PM LSVD

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