Lyrik

Was wäre, wenn …?

War ich wirklich so blind?
Ich war doch fast noch ein Kind.
Oder habe ich es bewusst nicht gesehen?
Wollte diesen Weg damals nicht gehen?
Ich weiß nur, ich habe nicht mein Leben gelebt.
Das ist es, was mich heute bewegt.
Damals war ich verliebt in sie, sehr sogar.
Und sie in mich, das ist mir heute klar.
Wir fanden nie den Mut, uns das zu gesteh’n.
Wir haben uns später nie wieder geseh’n.

Sie ist in eine andere Stadt gezogen.
Ich bin auf meinem Weg irgendwo falsch abgebogen.
Bloß nicht auffallen oder anders sein,
heiraten, Kinder kriegen, im „normalen“ Leben sein.
Job und Haus, „alles gut“ soweit.
Ich habe mich damit arrangiert mit der Zeit.
Es war okay, ich will mich nicht beklagen.
Ich wollte meinen Weg auch nie hinterfragen.
Und dann kam sie in meine Welt
und hat mein Leben auf den Kopf gestellt.

Alles Verdrängte war wieder da.
Das wurde mir schlagartig klar.
Die verdrängten Wünsche und Träume in mir.
Das Verlangen, ganz nah zu sein bei ihr.
Ich wusste, sie würde irgendwann wieder geh’n,
und doch war die Zeit mit ihr wunderschön,
so voller Kribbeln im Bauch, Zärtlichkeit und Herzbeben.
Und als sie ging aus meinem Leben
war nichts mehr, wie es vorher war.
Langsam sah ich das ganz klar.

Konnte ich mein Leben einfach so weiterführen?
Konnte ich noch Zuneigung für meinen Mann spüren?
Ich blieb, aus Liebe zu den Kindern,
aus Angst vor der Reaktion der anderen.
Um niemandem weh zu tun, blieb alles beim Alten.
Ich würde es schon aushalten.
Doch ich tat mir nur selbst damit weh.
So oft die Frage: Was ist, wenn ich jetzt geh?
Ich gehöre hier eigentlich nicht mehr her.
Warum ist diese Entscheidung trotzdem so schwer?

Ich weiß, es geht auch anderen wie mir.
Das macht mich etwas zuversichtlicher hier.
Doch bleibt die Frage, in der ich mich ständig verrenn‘:
„Was wäre, wenn …?“

B.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert