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Rostock: Queere Vereine und Polizei verständigen sich auf verstärkte Gewaltprävention

Durchbruch bei den queeren Vereinen und der Rostocker Polizei: In mehreren Gesprächen tauschten sich die queere Community Rostocks (vertreten durch die zwei Vereine rat+tat e.V. – Verein für geschlechtliche und sexuelle Vielfalt, sowie Christopher Street Day Rostock e.V.) mit der Polizeiinspektion Rostock aus. Anliegen der Vereine sind ein besserer Schutz der LGBTIQ+-Community und der gemeinsame Ausbau von Angeboten zur Gewaltprävention in der Hansestadt Rostock. Pünktlich vor dem diesjährigen Christopher Street Day am 20. Juli vermelden Vereine und Polizei nun konkrete Ergebnisse:

Frieda Kopp für die queeren Vereine: „Die Gewalt gegen queere Menschen nimmt weiter zu, gleichzeitig liegt die Dunkelziffer der Fälle bei etwa 90 Prozent, da viele Vorfälle gar nicht erst gemeldet werden. Das kann so nicht bleiben. Queerfeindliche Gewalt muss zu Konsequenzen führen. Wir hatten deshalb in den letzten Monaten einen intensiven Austausch mit der Polizeiinspektion Rostock. Wir haben sehr offen über die steigende Gewalt gegen queere Menschen und über die Gründe für die geringe Anzeigebereitschaft innerhalb der Community gesprochen, aber auch über die Erwartungen und Möglichkeiten zu einer besseren Zusammenarbeit.

Kernanliegen ist dabei die Verbesserung der Aufklärungsquote. Um Verbrechen aufklären zu können, müssen sie zunächst angezeigt werden. Hier besteht aktuell für viele Betroffene eine große Hürde. Menschen, die noch unter Schock stehen von einem Überfall, sollten sich gerade bei der Polizei sicher und ernstgenommen fühlen können. Das war für viele aus verschiedensten Gründen bislang nicht gegeben und wir hoffen, hier weiterzukommen.

Queerfeindliche Gewalt muss als solche in die Akten aufgenommen und als Komplex konsequent bearbeitet werden. Damit das aber passieren kann, müssen einige Hürden abgebaut werden. Hier werden künftig die jeweiligen Revierleitungen als direkte Ansprechpersonen zur Verfügung stehen. Für queere Menschen, die nicht allein zur Polizei gehen möchten, wird das bereits bestehende Angebot einer erfahrenen Begleitung durch LOBBI e.V. ausgebaut und auch rat+tat e.V. wird künftig Begleitungen anbieten. Hierzu haben wir in Zusammenarbeit mit der Polizei gemeinsames Infomaterial erarbeitet, das wir zum CSD herausgeben werden. Ebenfalls gesprochen haben wir über Schulungen und Workshops für die Beamten im Umgang mit marginalisierten Personen sowie die verstärkte Nutzung der Onlinewache. Ich gehe davon aus, dass wir das in den nächsten Gesprächen vertiefen werden.

Ebenfalls sprachen wir mit der Polizei über eine verstärkte Prävention, damit Gewaltverbrechen vereitelt werden können, bevor sie passieren. Hierzu haben wir uns intensiv über Gruppen ausgetauscht, von denen aus unserer Sicht – und Erfahrung – eine besondere Gefahr für die Community ausgeht. Das sind allen voran gewaltbereite Rechtsextreme, die auch in Rostock wieder zunehmend Raum suchen. Aber auch alkoholisierte Fans und andere, vor allem männlich geprägte Aggressoren, gehören dazu. Die Einsatztaktik im Rahmen des Christopher Street Days wird in Abstimmung mit uns angepasst. Unweit des Hafenfestes wird die Polizei zudem eine mobile Wache einrichten“, so Kopp aus Sicht der queeren Vereine.

Der Leiter der Polizeiinspektion Rostock, Achim Segebarth, betont:

„Mitglieder der LGBTIQ+-Community haben das gleiche Recht wie jeder andere auf ein Leben in Sicherheit und Freiheit ohne Diskriminierung und Angst vor verbaler, psychischer, körperlicher und/oder sexueller Gewalt. Entsprechend der gesetzlichen Regelungen ist dieser Grundsatz für Polizistinnen und Polizisten bereits jetzt Maßstab unseres täglichen Handelns. Ein intensiver, ernsthafter und qualifizierter Austausch mit den queeren Vereinen ist uns als Polizeiinspektion Rostock wichtig, um ständig im Gespräch zu bleiben, einen Erfahrungsaustausch zu gewährleisten und das beiderseitige Verhältnis weiter zu stärken.

Wir werden am 20. Juli 2024 nicht nur für den Veranstaltungsschutz eingesetzt sein, um Angriffe auf Teilnehmende auch auf der An- und Abreise zu verhindern. Uns ist es wichtig, auch als Ansprechpartner für Opfer von Straftaten direkt vor Ort zu sein. Wesentlich ist, dass Straftaten jeder Art bei der Polizei angezeigt werden. Nur in diesen Fällen können wir tätig werden, den Opfern helfen und mutmaßliche Täter ermitteln. Dabei sind wir in jeder Hinsicht bestrebt, die Situation während der Anzeigenaufnahme für Geschädigte individuell und so angenehm wie möglich zu gestalten. Dazu zählen in diesem Zusammenhang ein sensibler und qualifizierter Umgang mit den Betroffenen durch unsere eingesetzten Kräfte. Zudem werden Präventionsberatende während der Veranstaltung für Gespräche, Aufklärung und allen anderen Fragen der Community zur Verfügung stehen. Unter anderem informieren sie auch über den Umgang mit der Onlineanzeige.“

Für die Zukunft sei Kopp zuversichtlich, dass sich die Sicherheit für queere Menschen in Rostock verbessern könne, auch wenn noch einiges zu tun sei: „Die Gespräche laufen und der Grundtenor auf beiden Seiten ist offen. Wir haben bereits viele Sorgen und Bedenken besprochen. Um wirksame Änderungen zu spüren, sehen wir dennoch noch einen gewissen Weg der Sensibilisierungsarbeit innerhalb der Sicherheitsbehörde vor uns. Dass sich der Austausch auszahlt, sehen wir aber bereits an ersten Ermittlungserfolgen zu queerfeindlichen Übergriffen in jüngerer Vergangenheit. Ich bin froh und dankbar, dass sich die Behörde auf diesen Weg gemacht hat. Wir werden auf jeden Fall unseren Beitrag leisten“, so Frieda Kopp für die queeren Vereine.

Gesprächspartner für die queeren Vereine sind in dem Prozess Frieda Kopp (rat+tat e.V. und CSD Rostock e.V.) sowie Paul Langner (rat+tat e.V.). Ansprechpartner für die Polizeiinspektion Rostock ist deren Leiter, Achim Segebarth.

Informationen zur Sicherheitslage queerer Menschen finden Sie in den Publikationen des LSVD unter: Erneuter Anstieg queerfeindlicher Hasskriminalität (lsvd.de)