CSDMeldung

Vor über 20 Jahren: Erster CSD in Neubrandenburg

Ein Blick in das Archiv der INITIATIVE ROSA-LILA zeigt: Am 24. August 2019 wird nicht der erste Christopher Street Day in Neubrandenburg stattfinden. Denn in den Regalen des queeren Archivs schlummern CSD-Veranstaltungshefte die älter sind, als einige der heutigen CSD-Teilnehmer*innen. So wurde im Juni 1998 unter dem Motto „QUEER DURCHS LAND“ der erste landesweite CSD in Neubrandenburg begangen.

von Christoph Biallas und Marcel Spittel

Seit 1970 erinnert der Christopher Street Day an den Stonewall-Aufstand in der Christopher Street in New York am 28. Juni 1969. An diesem Tag widersetzte sich eine größere Gruppe von Homo- und Transsexuellen den immer stärker gewalttätig werdenden Polizeirazzien. 1979 finden dann die ersten CSDs in Deutschland statt. In Mecklenburg-Vorpommern war es 1998 soweit. Vorreiter war seinerzeit Neubrandenburg.

In der Vier-Tore-Stadt hat sich Ende der 1990er Jahre ein aktives queeres Leben etabliert, unter anderem durch die INITIATIVE ROSA-LILA, die Volleyballgruppe „Wallabys“, einen LesbenTreff, den Regenbogen e. V., die AIDS-Hilfe Neubrandenburg e. V., die Gay-Bars INCOGNITO und PAGAGEI- in der Morgenlandstraße. Gemeinsam mit queeren Vereinen und Initiativen aus dem Land gestalten sie im Juni 1998 den ersten landesweiten CSD in MV in Neubrandenburg. Dieser war keine Parade oder Demonstration, sondern ein Wochenende mit verschiedenen Veranstaltungen zu queeren Themen und einer Infomeile mit Ständen der Teilnehmenden in der Turmstraße.

CSD heißt bei uns ja nicht Parade oder Umzug. Dafür fehlen uns die Voraussetzungen. Aber wer weiß, man soll ja nie Nie sagen.

Infoblatt der INITIATIVE ROSA-LILA 2003.

Nach dem erfolgreichen Start im Vorjahr folgen 1999 CSD-Veranstaltungen im ganzen Land. In Neubrandenburg wird auf Initiative von Rosa-Lila erneut ein CSD-Wochenende gestaltet, als Highlight gibt es einen Film mit Eindrücken vom Vorjahr. In den Folgejahren wird aus dem Wochenende eine ganze Woche, die später mit weiteren einzelnen Veranstaltungen im Juni und Juli immer vielfältiger und größer wird.

2002 gelingt es den Organisator*innen eine Regenbogenflagge „vor dem“ Rathaus oder zumindest ziemlich nah am Rondell mit den Partnerstädten zu hissen. Mit dabei ist Stadtpräsidentin Dolores Brunzendorf, die als Erinnerung eine kleine Flagge geschenkt bekommt, welche fortan in ihrem Büro zu bewundern ist. 2002 wird erstmals ein Straßenfest vor den neuen Räumlichkeiten der INITIATIVE ROSA-LILA in der Friedländer Straße veranstaltet – mit dabei Landtagspräsidentin Sylvia Bretschneider (SPD).

Stadtpräsidentin Dolores Brunzendorf erhält 2002 eine kleine Regenbogenflagge. (Foto: IRL)

2003 ist es dann soweit: Die erste CSD-Demonstration in Mecklenburg-Vorpommern findet statt, jedoch nicht in Neubrandenburg, sondern in Rostock. Stattdessen gehen die Neubrandenburger Organisator*innen mit ihrer CSD-Woche auf Tour durch die Region, machen unter anderem Halt in Neustrelitz, Waren sowie Pasewalk und veranstalten ein Abschlussfest in Neubrandenburg. Die Regenbogenflagge weht wieder ganz nah am Rathaus.

CSD ON TOUR in Waren. (Foto: IRL)

Ab Mitte der 2000er Jahre verändert sich die queere Szene in Neubrandenburg und die finanzielle Situation für die Vereine wird schwieriger. Die CSD-Woche der Vorjahre ist 2007 das letzte Mal in der Region unterwegs. Noch einmal weht die Regebogenflagge, doch der CSD in Neubrandenburg findet sein Ende.

Längst hat sich der CSD in Rostock für die queere Community und ihre Unterstützer*innen als erster Anlaufpunkt etabliert. 2010 folgt die erste Parade beim CSD in Schwerin. 2011 und 2013 macht das CSD-Infomobil des LSVD-LV LSBTI* MV Gaymeinsam e.V. in Neubrandenburg halt, doch an die früheren Zeiten lässt sich nicht mehr anknüpfen.

Einen neuen Impuls liefert 2018 der CSD in Neustrelitz. Und nun ist es am 24. August nach 12 Jahren Pause wieder soweit – ein Christopher Street Day mit Demonstration, Straßenfest und der traditionellen CSD-Woche findet in Neubrandenburg statt.