Queere Filme auf der dokART 23
Zum 30. Mal trifft sich im Herbst in Neubrandenburg zur dokumentART die innovative Filmszene Europas. Bis 1990 unter dem Namen der „Nationalen Dokumentarfilmwochen der DDR“, seit 1992 als dokumentART, werden beim Festival Dokumentar-, Animations- und Experimentalfilme sowie hybride Formen gezeigt und diskutiert. Auch in diesem Jahr haben es queere Filme in insgesamt vier Wettbewerbe geschafft.
BIG PHAT PARTY / GRUBY MELON
Kinga Pudełek | Poland | 2022 | 17’30’’
Wettbewerb 7, 27. Oktober von 14 bis 16 Uhr im Kino Latücht
Irgendwann geht jede Party vorüberWie werden sie reagieren, wenn nach einer unanständig langen Party der unvermeidliche Kater sie schließlich einholt? Das Problem, mit dem die Hauptfiguren konfrontiert sind, ist der Grund ihre Freundschaft zerbricht.
Sie feiern wild, besinnungslos, nihilistisch. Das Leben der drei jugendlichen Außenseiter und besten Freunde gleicht einer unanständig langen Party. Trotz Geschlechtsreife stecken sie tief in ihrer Adolescence. Saufen, koksen und tanzen voller Energie zu hartem Gabba. Der unvermeidliche Kater kommt mit dem Erbrechen, denn Ania ist schwanger. Der Abbruch wurde in Polen verboten, dafür hat die Regierung das Kindergeld erhöht. „Lucifer“ wollen sie ihr Kind nennen, doch noch steht die Möglichkeit, eine Fahrt in eine Klinik nach Tschechien im Raum.
HOME SWEET HOME
Humad Nisar | Germany | 2023 | 41’
Wettbewerb 7, 27. Oktober von 14 bis 16 Uhr im Kino Latücht
Wie navigieren queere Menschen durch Intimität, Zugehörigkeit und die Zukunft und schaffen einen Ort wie „Zuhause“ in einem Land, in dem ihre Existenz illegal ist? Was bedeutet es in einem Land zu leben, in dem man die eigene Identität geheim halten muss, weil sie illegal ist? Wo findet man seinen Frieden, seinen Rückzugsort, sein Zuhause?
Der Filmemacher redet in seiner Heimat Pakistan mit queeren Menschen, die im Film selbst nicht zu sehen sind, so wie sie im pakistanischen Alltag unsichtbar bleiben müssen. Nur ihre Stimmen sind zu hören; sie reden über Zugehörigkeit, Sexualität, über gesellschaftliche Zwänge und ihre Zukunft. Ist es möglich ein neues soziales Netz, eine neue Familie, ein neues Zuhause zu finden?
HUMAD NISAR ist ein in Deutschland lebender visueller Anthropologe, der in Pakistan geboren und aufgewachsen ist. Humad zog nach Deutschland, um seinen Master-Abschluss in Visueller Anthropologie, Medien und dokumentarischen Praktiken zu machen. Humad Nisar nutzt partizipative, kollaborative und autoethnografische Filmmethoden, um das narrative Filmemachen zu dekolonisieren, indem die Geschichten von BIPOC / Queer People selbst erzählt werden.
NAKED ISRAEL
Inés Moldavsky | Israel | 2023 | 60’
Wettbewerb 8, 27. Oktober von 17 bis 19 Uhr im Kino Latücht
Ehemalige Soldaten berichten kompromisslos ehrlich über ihren Dienst in der „Schule der Nation“, der israelischen Armee. Die befragten Männer sind nackt – Israel selbst ist nackt.
Alle Israelis werden mit 18 Jahren zur Armee eingezogen. Im Gegensatz zu Frauen, die Ersatzdienst leisten, werden Männer, die ihrer Wehrpflicht nicht nachkommen, bis heute oft gesellschaftlich geächtet. Im Film berichten ehemalige Soldaten offen über ihren Dienst in der israelischen Armee, der „Schule der Nation“. Darüber wie er ihr Verständnis von Geschlecht, Sexualität, Gehorsam und Schuld, wie er ihr Leben geprägt hat. So zeigt der Film die gegenwärtige israelische Realität in ihrer „rohen“ Form, ohne Kompromisse und Beschönigungen. Nicht nur die Befragten sind hier nackt – auch Israel selbst ist es.
INÉS MODAVSKY ist Videokünstlerin und Filmemacherin. Ihre Arbeit konzentriert sich auf die Interaktion von Geschlecht, Nationalität und Sexualität. Sie hat einen MFA an der School of the Arts Institute of Chicago erworben. Ihr Film „The Men behind the Wall“ gewann den Goldenen Bären bei der Berlinale 2018.
DILDOTECTONICA
Rebeca Letras, Tomás Paula Marques | Portugal | 2023 | 16’
Wettbewerb 9, 27. Oktober von 20 bis 22 Uhr im Kino Latücht
Eine historische Liebesgeschichte in einem portugiesischem Kloster während der Inquisition wird hier parallel zu dem Herstellungsprozeß von Keramik- Dildos erzählt.
I GOTTA LOOK GOOD FOR THE APOCALYPSE
Ayce Kartal| France | 2021 | 6’
Wettbewerb 9, 27. Oktober von 20 bis 22 Uhr im Kino Latücht
März 2020 und das Leben steht still. Was machen die Menschen, wenn sich draußen eine Pandemie verbreitet? Die digitale Welt bekommt eine existentielle Wichtigkeit und wird zum neunen Lebensraum.
AYCE KARTAL schloss 2010 sein Studium an der Anadolu-Universität in Eskişehir mit einem Master of Fine Arts ab. Sein letzter Film, Wicked Girl, wurde 2019 mit dem Césars Award für den besten animierten Kurzfilm ausgezeichnet. Er ist außerdem der erste animierte Kurzfilm seit 40 Jahren, der den Nationalen Großen Preis in Clermont-Ferrand gewonnen hat.
BLUSH – AN EXTRAORDINARY VOYAGE
Iiti Yli-Harja | Finland | 2022 | 14’55’’
Wettbewerb 9, 27. Oktober von 20 bis 22 Uhr im Kino Latücht
Fatu trägt das erste Mal in seinem Leben Make- Up in der Öffentlichkeit. Ein vermeintlich alltäglicher Gang, ist für ihn so aufregend, wie eine Reise zum Mond.
ITI YLI-HARAJALL ist eine Stop-Motion-Animationskünstlerin, Dokumentarfilmerin und Musikerin. Sie schloss ihr Studium an der Aalto-Universität in Finnland 2021 mit dem Master of Arts ab. In ihren Filmen kombiniert sie dokumentarisches Material mit fiktionalen Elementen der Stop-Motion-Animation. Sie findet es wertvoll, dass schon der Prozess des Filmemachens versucht, die Welt zum Besseren zu verändern, nicht nur das Endergebnis. Ihre dokumentarische Puppenanimation Real Men (2020) wurde beim Helsinki International Film Festival 2020 als bester Kurzfilm ausgezeichnet.
LAMARCK
Marian Mayland | Germany | 2021 | 27’20’’
Wettbewerb 10, 28. Oktober von 11 bis 13 Uhr im Kino Latücht
„Die Welt ist nicht immer schön“, sagt meine Mutter. Mein Kind wacht auf. Meine Eltern lächeln sich gegenseitig an und erzählen eine Geschichte.
Über das Schweigen und wie es bricht, über Dinge, die nicht sein sollten und doch waren: das Haus, in dem zwei Menschen nie leben wollten, die psychische Krankheit, der sie nie begegnen wollten, die Kinder, die sie nicht haben wollten, der Atomkrieg, der nie kam. Die Regisseurin beobachtet, wie ihre Eltern auf die Zwänge und die Unnachgiebigkeit des Familienlebens in einer katholischen deutschen Kleinstadt zurückblicken. Die Familiengeschichte wird geschickt in eine Topografie von Landschaften verwoben, die vom Braunkohleabbau gezeichnet sind, und stellt Bezüge zur deutschen Zeitgeschichte seit den späten 1980er Jahren her.
MARIAN MAYLAND (geb. 1988 in Bocholt) beschäftigt sich seit 2015 intensiv mit verschiedenen Formen des dokumentarischen Erzählens. Ihre Arbeiten wurden in Ausstellungen und auf Festivals wie den Internationalen Kurzfilmtagen Oberhausen, IDFA Amsterdam und dem Internationalen Kurzfilmfestival Hamburg gezeigt.
DZIELENIE SIĘ I I SHARING
Natalia Sara Skorupa | Poland | 2021 | 13’
Wettbewerb 10, 28. Oktober von 11 bis 13 Uhr im Kino Latücht
Die Filmemacherin verwendet eine VHS-Kamera, um das Weihnachtsfest ihrer Familie zu filmen. Das Dokument des Ereignisses entwickelt sich zu einer Coming-out-Erzählung, die im Home-Video-Stil gedreht wurde.
In einer kleinen Wohnung in Polen feiert eine Großmutter Weihnachten mit ihren beiden erwachsenen Kindern und ihrem Enkelkind. In Polen ist es Tradition, am Heiligabend vor dem Essen eine Oblate zu teilen. Jeder bricht ein Stück von der Oblate ab, reicht es einer anderen Person und spricht laut seine Wünsche für das kommende Jahr aus. Die Enkelin benutzt eine alte VHS-Kamera, um ihre Familie und diese gemütliche Tradition zu filmen. Die Entscheidung, das Ereignis aufzuzeichnen, führt zu einem unkonventionellen Heimvideo: Die Anti-LGBT-Politik der regierenden Partei in Polen – Recht und Gerechtigkeit – wird nicht beiseite geschoben, nur weil Weihnachten ist, und jeder hat seine eigene Meinung zur Homosexualität. Der Tisch ist gedeckt, die Oblate ist gebrochen… und die Enkelin outet sich vor ihrer Familie.
NATALIA SARA SKORUPA (geb. 1999 in Stettin) studiert Experimentalfilm an der Akademie der Künste in Stettin. Sie ist Dichterin und Sängerin in der polnisch-britischen Band Sisters Memon sowie eine versierte Gitarristin und Performerin.
Special
MI 25. , FR 27. , SA 28. , SO 29.10 | jeweils von 11:00 – 16:00 im DIZ – Digitaler Innovationsraum Neubrandenburg · Friedrich-Engels-Ring 55
DIVA Nicolas Cilins, Schweiz, 2021, 29‘, Vietnamesisch mit wechselnd dt | engl UT
DIVA ist ein Fanbrief an Diva Cat Thy, eine vietnamesische Transfrau, Imbissbetreiberin und Performerin, die ihren Alltag und die damit verbundenen Herausforderungen öffentlich in den sozialen Medien teilt. Mit dem Ziel, geografische und sprachliche Distanzen zu überwinden, nutzt der französische Regisseur das von Diva und ihrer Community gepostete Bildmaterial, um mit ihr in Kontakt zu treten. Er hat sie nie getroffen, kann aufgrund der Covid-19-Beschränkungen nicht nach Vietnam reisen und ist daher auf seinen Partner, einen Australier vietnamesischer Herkunft, angewiesen, der ihm bei der Übersetzung des Filmmaterials hilft und als Vermittler fungiert. Divas Leben auf den Straßen von Saigon als Nudelverkäuferin, online als Social Media-Berühmtheit und auf der Bühne als Bingo-Sängerin und Zirkusartistin ist mit den Prozessen des Betrachtens (oder Beobachtens) und der Übersetzung verwoben sowie mit einer Reflexion über queere Identität, Distanz, Intimität und inkohärente Geschichten.
Preise | Prices Regulär | Regular Ermäßigt *| Reduced *
Einzelticket (1 Programmblock)
Single ticket (1 programme) € 6,- € 4,-
Tageskarte | Day pass € 12,- € 8,-
Eröffnung & Filmvorführung
Opening ceremony & screening € 8,- € 6,-
Preisverleihung | Award ceremony € 8,- € 6,-
Festivalpass ** | Festival pass ** € 49,- € 30,-
* Ermäßigung erhalten Mitglieder des Latücht e V , Kinder bis 16 Jahren, Schüler:innen, Student:innen, Azubis, Schwerbehinderte, ALG-II-Empfänger:innen, Geflüchtete (gegen Vorlage eines gültigen Nachweises)
VORVERKAUFS-ADRESSEN | PRE-SALE
Kino Latücht | Cinema Latücht:
Große Krauthöferstraße 16, 17033 Neubrandenburg
Mo – Fr: 09:00 – 16:00 Uhr, Tel: 0395 56389026
Festivalbüro | Festival office:
Turmstraße 10, 17033 Neubrandenburg
Text/Bild: dokART