Meldung

Selbstbestimmt Wir: Ergebnisse und Beschlüsse des 34. LSVD-Verbandstags

Queerpolitische Forderungen an die neue Bundesregierung: Selbstbestimmung ist zentrale Voraussetzung für ein Leben in Freiheit und Würde

Unter dem Motto „Selbstbestimmt wir“ diskutierte der LSVD auf seinem 34. LSVD-Verbandstag die queerpolitischen Möglichkeiten und Vorhaben der neuen Bundesregierung. In seiner Gastrede stellte der Queerbeauftragte der Bundesregierung Sven Lehmann (Bündnis 90/Die Grünen), die Aktivitäten und Planungen der Bundesregierung in Bezug auf LSBTI-Politik vor. So soll mit der Reform im Abstammungsrecht, dem Selbstbestimmungsgesetz sowie der Erstellung des Nationalen Aktionsplans noch in diesem Jahr begonnen werden. Dabei rief er die Community und Zivilgesellschaft dazu auf, weiter Druck zu machen, um die Realisierung der im Koalitionsvertrag verabredeten Vorhaben weiter voranzutreiben.

Selbstbestimmung ist zentrale Voraussetzung für ein Leben in Freiheit und Würde

Der verbrecherische und unvorstellbar brutale Angriffskrieg von Putins Russland auf die Ukraine steht für eine epochale Auseinandersetzung zwischen Demokratie und autoritären Regimen, die nichts so sehr fürchten wie Freiheit und Selbstbestimmung der Menschen. Wir solidarisieren uns mit dem Freiheitskampf der Menschen in der Ukraine.

Selbstbestimmung ist zentrale Voraussetzung für ein Leben in Freiheit und Würde. Selbstbestimmung ist nicht denkbar ohne Demokratie, ohne Rechtsstaat, ohne Meinungsfreiheit, aber auch nicht ohne wirksamen Schutz vor Hass und Hetze.

Die Demokratie wird die epochale Auseinandersetzung am besten bestehen, wenn sie möglichst viele Menschen für ihre Werte der Freiheit und Selbstbestimmung gewinnt, wenn sie dafür sorgt, dass ihre Gesellschaften noch inklusiver werden und diese Werte auch im staatlichen Handeln jederzeit zum Tragen kommen und damit von allen gelebt werden können. In seinem Verbandstagsbeschluss „Selbstbestimmt wir“ stellte der LSVD daher vier Projekte für 2022 in den Mittelpunkt, die mehr Selbstbestimmung für LSBTI ermöglichen. Dazu gehören ein Selbstbestimmungsgesetz für trans- und intergeschlechtliche Menschen, ein effektives Demokratiefördergesetz und ein wirksamer Nationaler Aktionsplan sowie Schutz und faire Verfahren für queere Geflüchtete.

Gegen jede Verbesserung der Selbstbestimmungsrechte queerer Menschen hat die katholische Kirche mit ihrem hartnäckigen jahrzehntelangen Widerstand schwere Schuld auf sich geladen. Der LSVD begrüßt, dass nun auch in der katholischen Kirche in Deutschland einiges in Bewegung gekommen ist. Für all das Leid, das sie generationenlang queeren Menschen, ihren Angehörigen und Freund*innen angetan haben, erwartet der LSVD nicht nur ein Schuldanerkenntnis der deutschen Bischöfe, sondern auch tätige Reue: die Akzeptanz und Unterstützung staatlicher Gesetzgebung, die Freiheit und Selbstbestimmung queerer Menschen umfassend rechtlich verbrieft, auch im Grundgesetz, und einen engagierten Einsatz für die Menschenrechte von LSBTI in der Weltkirche.

Bedrohte LSBTI aus Verfolgerstaaten aufnehmen und in Deutschland Schutz bieten

In den letzten Jahren haben der systematische Angriff gegen die LSBTI-Community in der russischen Teilrepublik Tschetschenien, die Machtübernahme der Taliban in Afghanistan, die Androhung der Todesstrafe für queere Menschen in elf Staaten und der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine gezeigt, dass Menschenrechte konstant unter Druck stehen – auch und gerade für LSBTI. Dabei beginnt der Angriff auf die Community bereits vor unserer Haustür, durch rechtspopulistische Regierungen in Ungarn und Polen.

In einem weiteren Beschluss fordert der LSVD-Verbandstag daher die Bundesregierung auf, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um verfolgte LSBTI im Ausland zu schützen und Menschenrechtsverteidiger*innen zu stärken. Gleichzeitig muss die Bundesregierung ihrer internationalen Pflicht nachkommen, bedrohte LSBTI in Deutschland aufzunehmen und Schutz zu bieten. Hierfür bedarf es großzügig ausgestalteter Aufnahmeprogramme, der verstärkten Vergabe humanitärer Visa, fairer Asylverfahren, einer sicheren Unterbringung und einer Asylverfahrensberatung durch Träger der queeren Community. So müssen LSBTI aus der Ukraine unbürokratisch aufgenommen und bedarfsgerecht verteilt werden. Das versprochene Aufnahmeprogramm für Afghanistan muss LSBTI als besonders gefährdete Gruppe ausdrücklich berücksichtigen. Prioritär muss Innenministerin Faeser der rechtswidrigen Bescheidungspraxis im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge endlich ein Ende bereiten. Es dürfen keine europarechtswidrigen Prognosen mehr über „diskretes Leben“ angestellt werden, um LSBTI in die schlimmsten Verfolgerstaaten abschieben zu können.

Wahlen zum Bundesvorstand und Verabschiedung von Günter Dworek und Helmut Metzner

Nach der Vorstellung des Tätigkeits- und des Finanzberichts standen die Wahlen zum Bundesvorstand auf der Tagesordnung. Nach über 30 Jahren musst Abschied von Günter Dworek genommen werden. Mit seinem jahrzehntelangen Engagement prägte er nicht nur den Verband, sondern war auch maßgeblich an den großen Erfolgen der rechtlichen Gleichstellung und gesellschaftlichen Emanzipation von LSBTI beteiligt. Ebenfalls verabschiedet wurde Helmut Metzner nach 13 Jahren Mitarbeit im Gremium. Er wurde zum neuen Vorstand der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld gewählt und gibt daher seine Ämter im LSVD und der Hirschfeld-Eddy-Stiftung zum Frühsommer 2022 auf.

Patrick Dörr, Henny Engels, Andre Lehmann, Stefanie Lünsmann-Schmidt und Christian Rudolph wurden für eine weitere zweijährige Amtszeit bestätigt. Neu im Bundesvorstand ist Alva Trävert. Weiterhin gehören dem neunköpfigen ehrenamtlichen Gremium die im letzten Jahr gewählten Philipp Braun, Gabriela Lünsmann und Alfonso Pantisano an.

Der queerNB e. V. ist Mitglied im LSVD.

Text/Bild: LSVD

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